They are not long, the days of
wine and roses.
Ernest Dowson
Von der Anhöhe aus hatten
sie einen guten Blick auf das Dorf. Aus der Entfernung sah es
längst nicht so eindrucksvoll aus, wie Schwinge es sich immer
vorgestellt hatte. Das war keine »Steinerne Stadt« wie
in den Erzählungen der Flußleute, nur eine Ansammlung
armseliger Holz- und Lehmhütten, von einem Holzzaun umgeben.
Es war einfach nur abstoßend, insbesondere wegen des
Lärmes, der von dort kam.
»Machen sie immer einen derartigen Krach, wenn sie
zusammenkommen?« fragte Keil den Menschen.
»Ich weiß nicht, was du meinst«, sagte der
erstaunt. »Ich kann gar nichts hören. Der Wind geht doch
in die andere Richtung.«
»Eure Sinne sind nur schwach ausgeprägt«,
erklärte Keil. »Unsere Ohren können Laute
hören, die sehr weit entfernt oder sehr leise sind. Du
hörst wirklich nichts?« Der Mensch schüttelte
bedauernd den Kopf. »Hochinteressant. Es klingt wie ein
Tumult.«
»Wir könnten gehen und nachsehen … oder ich gehe
allein …«, schlug Lonnìl hilflos vor. Jedesmal,
wenn er merkte, wie hoch die Alifwin ihm überlegen waren,
wurde er kleinlaut.
»Nein«, meinte Morren. »Das wäre zu
gefährlich. Wenn es dort tatsächlich einen Tumult gibt,
dann würde unser Auftreten ihn nur weiter anheizen. Aber ich
weiß etwas Besseres. Ich werde nachsehen.« Der Zauberer
griff in seine Tasche und holte die Kristallkugel hervor. »So
wissen wir sofort, was dort vor sich geht.«
Lonnìl schien noch weiter in sich zusammenzuschrumpfen, als
er sah, wie der Zauberer in die Kugel blickte. Menschen konnten
nichts hören, nicht zaubern - was konnten sie überhaupt,
außer töten? Schwinge wußte, daß sie kein
Wort sprechen würde, solange ein Feind sie begleitete. Auch
wenn Keil ihn erforschen wollte, blieb es doch immer noch Verrat an
den Alifwin.
»Es gibt tatsächlich einen Tumult«, berichtete
der Zauberer. »Die Bevölkerung des Dorfes hat sich
zusammengerottet und bewirft einen Mann mit Steinen und …
fauligem Obst, wenn ihr mich fragt. Dabei schreien sie. Der Mann
hüpft hinkend hin und her und versucht, ihren Geschossen
auszuweichen.«
»Nein!« schrie Lonnìl und riß dem
verblüfften Morren die Kugel aus der Hand. »Aber
… da ist ja gar nichts!«
»Natürlich ist da gar nichts!« zischte der
Zauberer verärgert. Niemand durfte die Kugel auch nur
berühren, und Lonnìl hätte daran denken
müssen. Aber Morren atmete nur tief durch. »Du bist kein
Zauberer.«
Der Mensch hatte Glück. Morren schien ihn für diesen
Frevel nicht bestrafen zu wollen. Dabei wäre es so eine gute
Gelegenheit gewesen …
»Sie bringen ihn um! Sie versuchen einen hilflosen Mann zu
steinigen, der sich nicht wehren kann!« rief Lonnìl
wütend. »Wir müssen ihn retten! Wenn ihr nicht mit
mir kommt, dann tue ich es eben allein.« Er umfaßte
seinen schweren Stock mit beiden Händen und lief den
Hügel hinunter. Die Alifwin und der Zauberer blickten ihm mit
Verwunderung nach.
»Es wird noch lange dauern, bis ich die Menschen
begreife«, sagte Keil. »Die einen schlagen sich tot,
und ein anderer riskiert sein eigenes Leben, um einen Fremden, den
er noch nie gesehen hat, zu retten. Jetzt frage ich mich - welches
dieser Verhalten ist nun typisch für die Menschen?«
»In jedem Fall das erste«, erklärte Morren.
»Denn diese Tat wird von vielen von ihnen begangen,
während unser Freund Lonnìl ganz auf sich allein
gestellt ist.«
»Er ist nicht mein Freund!« stieß Schwinge
hitzig hervor. »Und jetzt, wo er fort ist, können wir
endlich in Ruhe weiterreisen. Wer sagt denn, daß er nicht zur
Ablenkung das ganze Dorf auf uns hetzt?«
»Weil er ehrlich ist«, erwiderte Morren. »Ihr
werdet kaum jemals wieder einen Menschen finden, der bereit ist,
auf der Seite der Alifwin gegen sein eigenes Volk zu kämpfen,
nur weil er ihre Sache für gerecht hält. Er ist kein
gewöhnlicher Mensch. Und ich habe ihm versprochen, daß
er uns eine Weile begleiten darf. Er möchte mehr über
euch lernen, um euch zu verstehen. Woran erinnert euch
das?«
Beide Alifwin antworteten nicht, aber Schwinge sah, daß Keil
lächelte.
»Du wirst dich an ihn gewöhnen müssen«,
sagte er schließlich. »Wir können die Menschen
nicht mehr wegdenken aus unserer Welt. Wir müssen uns mit
ihnen abfinden. Und dazu gehört auch, daß du mit ihm
sprichst. Du kannst nicht unentwegt schweigen, nur weil
Lonnìl in der Nähe ist. Durch ihn kann sein Volk
über uns lernen. Und dann hören sie vielleicht auch auf,
uns zu töten.«
»Laßt uns aufbrechen«, sagte Schwinge noch
einmal. »Wir haben den Menschen bei seinesgleichen
abgeliefert, daß ist mehr, als er von uns erwarten konnte. Er
kann froh sein, daß wir ihn nicht getötet haben. Und
jetzt kommt. Wir haben noch einen weiteren Weg vor uns.«
Weder der Zauberer noch der Barde rührten sich. Keil blickte
in das Dorf hinunter und schien angestrengt zu lauschen, und Morren
verfolgte die Geschehnisse wieder in seiner Kugel. Ab und zu lachte
er leise auf.
»Lonnìl greift tatsächlich die ganze
Dorfbevölkerung an«, berichtete er. »Er schreit
und schlägt mit seinem Stock um sich. Vier starke Männer
sind schon zu Boden gegangen. Das Opfer ist noch am Leben und
scheint nicht einmal schwer verletzt zu sein. So wie es aussieht,
wird Lonnìl den Mann tatsächlich retten.«
»Brüllen und wild um sich schlagen«, sagte
Schwinge abschätzig. »Das ist alles, was sie
können.« Der Lärm war nahezu unerträglich, und
sie fragte sich, wie die beiden anderen das aushielten.
»Jetzt werfen die Menschen ihre Steine auch auf
Lonnìl. Ich werde einmal sehen, ob ich da nicht etwas machen
kann.« Schwinge wußte nicht, was der Zauberer tat, aber
sie hörte, wie er leise zu lachen begann. »Das
dürfte sie im Zaume halten.«
»Du hast ihnen geholfen!« rief Schwinge entsetzt.
»Du hast für unsere Feinde gezaubert.«
»Du scheinst es nicht begreifen zu wollen, Schwinge. Ich
habe es dir schon so oft erklärt. Die Zauberer sind neutral.
Sie sind keine Feinde der Menschen. Ich halte mich aus eurem Krieg
heraus. Ich helfe euch auf eurer Suche. Aber wenn ich mag, helfe
ich auch Menschen. Und ich müßte gar nichts tun, wenn
ich nicht wollte.«
Bis gerade hatte Schwinge den Zauberer weitgehend für einen
Freund gehalten. Aber jetzt war sie sich nicht mehr so sicher.
Vielleicht trieb er die ganze Zeit schon ein doppeltes Spiel, bei
dem es nur um seine eigenen Interessen ging. Er benutzte die
Alifwin nur, um zu bekommen, was er wollte. Danach hatte er keine
Verwendung mehr für sie. Um Morren nicht ansehen zu
müssen, drehte Schwinge sich um und schaute in die andere
Richtung. Keil spielte ein Lied auf seiner Flöte, um die
Situation wieder zu entspannen. So verharrten sie einige Zeit
schweigend, bis sie ein lautes Rufen am Hang hörten. Der
Mensch kehrte zurück. Langsam stieg Lonnìl den
Hügel hinauf. Den Stock hielt er nur noch mit einer Hand. Mit
der anderer stützte er den Mann, der sich mühsam hinkend
neben ihm nach oben schleppte.
»Ich habe ihn gerettet«, sagte er. »Es war
merkwürdig. Plötzlich flogen die Steine auf die
zurück, die sie geworfen hatten, und wir konnten unbehelligt
fliehen.«
Morren lächelte, aber so, daß Lonnìl es nicht
sah. Das also hatte er getan.
Erschöpft ließ sich der Gerettete zu Boden sinken. Er
war mit schmutzigen, zerrissenen Lumpen bekleidet, und sein rechtes
Auge bedeckte ein dunkler Stoffetzen. Über dem Haar trug er
eine eng anliegende Lederkappe. Eigentlich war von dem Menschen
nicht mehr zu sehen als ein rundes Auge, eine breite Nase und ein
Mund, dessen Lippen nervös zuckten. Er schien schon recht alt
zu sein, denn seine Stimme war rauh und zittrig. Beim Sprechen
spuckte und hustete er.
»Ich danke dir, daß du mich vor diesem wildgewordenen
Mob beschützt hast«, keuchte er. »Genaugenommen
hast du mir sogar das Leben gerettet, und das werde ich dir nicht
verzeihen - ich meine vergessen.«
Immer noch hustend, versuchte er, sich aufzurichten, aber eins
seiner Beine war steif, und er kam nicht allein vom Boden hoch.
Lonnìl half ihm auf und bot ihm seinen Stock als Stütze
an.
»Und du bist sicher, daß du nicht verletzt bist, mein
Alter?« fragte er besorgt.
»Da bin ich mir sogar ziemlich sicher. Du bist zur rechten
Zeit gekommen. Es ist mir genaugenommen noch niemals besser
gegangen.« Der abstoßende Mensch stieß ein
widerliches heiseres Lachen aus. »Ich hätte niemals
gedacht, daß jemand freiwillig auf die Idee käme, mich
zu retten. Wärst du einen Augenblick später erschienen -
ich hätte meine Tarnung auffliegen lassen müssen, und der
ganze Spaß wäre vorbei gewesen.«
Während der letzten Worte hatte die Stimme des Mannes sich
stark verändert. Sie war nicht länger alt und schwach,
sondern jung und kräftig, mit etwas darin, das Schwinge noch
nie zuvor gehört hatte. Es klang, als würde der Mensch
gleichzeitig reden und lachen. Dafür hörte er auf, zu
spucken, husten und mit der Lippe zu zucken. Auch seine
Körperhaltung war nun anders, viel aufrechter, jünger.
Schwinge warf einen kurzen Blick zu Morren, um zu sehen, ob der
Zauberer seine Hände im Spiel hatte, aber der schaute den
Fremden mit verwirrter Belustigung an und wußte
augenscheinlich nicht, was genau mit ihm los war.
Schließlich ließ der Mensch den Stock fallen und
plumpste wieder zu Boden, wobei er darauf achtete, das linke Bein
nicht zu bewegen. Er nahm die Kappe ab und entledigte sich auch der
obersten Lumpenschicht. Unter der vor Schmutz starrenden Kutte trug
er ein zwar abgetragenes, aber im Vergleich zum Rest guterhaltenes
braunes Wams und ein paar enganliegender lederner Hosen. Und was
eben noch wie ein grotesker Buckel ausgesehen hatte, war nichts
weiter als ein Reisebündel. Nun sahen sie alle, warum sein
linkes Knie so steif war. Ein eisernes Schwert war mit Riemen an
seinem Bein festgebunden.
»Ich denke, auf dieses Kostüm muß ich in Zukunft
verzichten«, sagte der junge Mensch, in den sich der
schäbige Alte verwandelt hatte. »Wenn ich mich noch
einmal darin hier in der Gegend sehen lasse, fliegen gleich die
ersten Steine. Ich fürchte, fürs Erste muß ich
einmal mit meinem wahren Gesicht herumlaufen. Ich bin dir immer
noch zutiefst dankbar, daß du mich gerettet hast.«
Während er das sagte, schnürte er das Schwert von seinem
Bein und nahm zu guter Letzt den Lappen von seinem Auge ab.
Darunter kam nicht eine gähnende Öffnung zu Tage, wie die
Binde vermuten ließ, sondern ein zweites braunes Auge. Vom
äußeren Augenwinkel zog sich eine etwa einen halben
Finger lange Narbe über die Schläfe in Richtung Ohr und
gab dem Auge etwas Schlangenhaftes. Es war nicht so rund wie
gewöhnliche Menschenaugen, sondern erinnerte auf seine
schmale, leicht schräge Art an die Augen der Alifwin. Kurze
dunkle Locken fielen ihm in die Stirn. Alles in allem schien dieser
Mensch nur wenig älter zu sein als Lonnìl. Schwinge
fragte sich, wie alt die beiden wohl sein mochten. Sie hatte
gehört, daß Menschen viel schneller wuchsen und alterten
als Alifwin. Vielleicht waren sie noch nicht einmal hundert.
Erst, nachdem der Mensch das Schwert an seinem Gürtel
befestigt und einen Schluck aus einer Feldflasche genommen hatte,
schien er die Anderen überhaupt zu bemerken.
»Das gibt es doch nicht!« rief er aus.
»Spitzohrige Elfen! Du hast mich in eine Falle gelockt! Bist
… bist du überhaupt selbst ein Mensch?« Er zog
sein Schwert.
Lonnìl starrte ihn an, sein Gesicht weiß vor
ohnmächtiger Wut. Er antwortete nicht, sondern sagte nur
zwischen den Zähnen: »Sag mir lieber, wer du in
Wirklichkeit bist!«
»Ich denke, es ist zwecklos, das noch weiter zu
verheimlichen, jetzt, wo mein Kostüm weg ist und ich gleich
gegen euch alle kämpfen darf. Ich bin Felder.«
Spielerisch machte er einen Ausfall in Richtung des anderen
Menschen. »Und ganz nebenbei bin ich der Prinz von
Thoria.«
Mit einem Aufschrei packte Lonnìl den Stab und griff den
Fremden an.
»Ich kämpfe nur ungern gegen Leute, die mir zuvor das
Leben gerettet haben«, sagte Felder, während er den
Stock mit seinem Schwert abwehrte. »Du bist ganz sicher,
daß wir uns nicht irgendwie friedlich einigen können?
Vielleicht sollte ich dabei sagen, daß ich einer der besten
Schwertkämpfer meines Landes bin, und du hast nichts weiter
als diesen Stock. Ich könnte dich sofort töten, wenn ich
wollte. Warum tun wir uns nicht zusammen und kämpfen gemeinsam
gegen die Spitzohren? Vergiß nicht, auf welcher Seite du
stehst!«
»Lügner!« schrie Lonnìl. »
Verbrecher! Hundesohn! Tyrann!«
Jedes Wort bedeutete einen Hieb mit dem Stab. Es schien
Lonnìl egal zu sein, daß seine Waffe schlechter war
als die seines Gegners. Felder dagegen schien an dem Kampf sogar
Vergnügen zu finden. Er duckte sich geschickt vor den
Schlägen des anderen oder machte einen Sprung über die
Stange, als Lonnìl damit auf seine Beine zielte.
»Ich werde sie niemals begreifen«, murmelte Keil.
»Erst rettet er ihm das Leben, und jetzt versucht er, ihn
umzubringen? Menschen sind wirklich unberechenbar.«
»Sie müssen kämpfen. Dauernd müssen sie
kämpfen und töten«, entgegnete Schwinge.
Felder ließ das Schwert fallen, und als Lonnìl wieder
zuschlagen wollte, packte der kleinere Mensch den Stab mit beiden
Händen, hielt ihn fest und drückte ihn zu Boden.
Lonnìl schüttelte den Stab, um Felder loszuwerden, aber
es gelang ihm nicht.
»Das hätte ich eigentlich sofort tun sollen«,
erklärte Felder. »Aber man muß dabei immer
aufpassen, daß man sich nicht die Hände bricht, und
außerdem hatte ich irgendwie Lust, mein Schwert zu schwenken,
wenn du verstehst, was ich meine.«
Er mochte vielleicht geschickt sein, aber Lonnìl hatte
erkannt, was er tun mußte. Durch eine unvermutete Drehung des
Stabes ließ er Felder durch die Luft fliegen, so daß
der loslassen mußte und auf seinem Rücken zu liegen kam.
Das Schwert befand sich nun außerhalb seiner Reichweite.
»Schon gut, schon gut«, ächzte Felder. »Du
hast gewonnen. Wenn du nun so freundlich wärst, mir zu sagen,
was du eigentlich gegen mich hast? Sind wir uns schon einmal
irgendwo begegnet? Habe ich dich irgendwie gekränkt oder
betrogen?«
»Du bist ein Prinz«, schnaubte Lonnìl
wütend. »Und das allein genügt schon, wenn man
davon absieht, daß ich mich deinetwegen zum Narren gemacht
habe.«
»Ich wüßte nicht, wieso du dich zum Narren
gemacht haben solltest. Genaugenommen hast du eine weitaus bessere
Figur gemacht als ich, als du mich gerettet hast. Und dafür,
daß ich ein Prinz bin, kann ich nichts. Ich wurde
zufällig so geboren, so wie du als ein Bauer oder was
weiß ich zur Welt gekommen bist. Wenn ich es mir hätte
aussuchen können, wäre ich ganz sicher kein Prinz
geworden. Du ahnst gar nicht, wie langweilig das Leben als Prinz
sein kann! Theoretisch müßte ich in der Burg meines
Vaters sitzen und Däumchen drehen, bis er das Zeitliche
segnet. Da nutze ich doch lieber die Zeit, die ich noch
habe.«
Lonnìl wollte wieder auf ihn losgehen, aber nun hielt
Morren ihn am Arm zurück.
»Genug jetzt. Es reicht. Ihr hattet euren Kampf, aber jetzt
müssen wir weiter.«
»Nicht, bevor der Lügner bezahlt hat!«
»Vergiß ihn. Er ist es nicht wert. Außerdem hat
er nicht einmal gelogen.«
Immer noch wutschnaubend, aber überredet wandte Lonnìl
sich zum Gehen. Schwinge und Keil warteten schon ungeduldig auf den
Zauberer und den Menschen. Aber Felder, anstatt froh zu sein,
daß er überhaupt noch lebte, ließ Lonnìl
nicht gehen. Er verstellte ihm den Weg.
»Nein, nein, du hast Recht!« sagte er.
»Natürlich muß ich mich irgendwie bei dir
revanchieren. Du hast mir immerhin das Leben gerettet. Ich werde
dich solange begleiten, bis ich dir selbst irgendeinen Dienst
erweisen kann. Da ich sowieso in die gleiche Richtung muß,
macht es mir auch überhaupt nichts aus. Und ich muß doch
irgendwie meine Ehre retten und beweisen, daß ich etwas
tauge, obwohl ich ein Prinz bin.«
»Je länger ich dich kenne«, bemerkte der Zauberer
spitz, »desto stärker zweifle ich daran, daß du
etwas taugst, und daß du überhaupt so etwas wie Ehre
besitzt.«
»Ich kann es schon noch beweisen. Und außerdem brenne
ich darauf zu erfahren, warum zwei Menschen gemeinsam mit zwei
verdammten Spitzohren durch die Gegend reisen. Wenn ihr vorhabt,
die Menschen an die Elfen zu verraten, dann ist es vielleicht das
Beste, wenn ich euch unschädlich mache. Immerhin habe ich ein
schweres scharfes Schwert, und ihr habt zu zweit nur diesen
Stab.«
»Verstehe ich dich richtig?« sagte Morren ruhig und
packte Felder so plötzlich bei den Schultern, daß dieser
gar nicht anders konnte, als ihm in die Augen zu sehen. »Du
willst uns so etwas sagen wie ‘Nehmt mich mit, sonst
töte ich euch alle’?«
»So direkt wollte ich das nicht sagen.« Noch
ließ sich Felder nicht einschüchtern.
»Dann sage ich dir einmal etwas. Ich bin überhaupt kein
Mensch.«
»Erzähl das deiner Amme!«
»Ich bin ein Zauberer, und ich bräuchte keinen Stock,
um gegen dein Schwert anzukommen. Und da ich unsterblich bin,
dürftest du große Probleme bekommen beim Versuch, mich
zu töten.«
Wie gebannt starrte Felder in die schwarzen Augen. Er sagte nichts
mehr, und als Morren seine Schultern losließ, stolperte der
Mensch rückwärts, fiel über seine eigenen
Füße und landete im Gras. Im Gehen hörte Schwinge
noch, wie er sagte: »So ein Mist, so ein verfluchter
Mist!« Dann ignorierte sie ihn und versuchte, die ganze
unangenehme Geschichte zu vergessen. Dieser Mensch war ihr so
unglaublich zuwider, daß sie es gar nicht in Worte fassen
konnte. Er war bis jetzt das Abstoßendste, was sie je
getroffen hatte, mindestens so schlimm wie die drei Männer in
dem Haus. Selbst Lonnìls Begleitung erschien ihr dagegen
angenehm, so daß sie sogar bereit war, ihn anzusprechen.
»Ich hoffe, das wird dir eine Lehre sein«, sagte sie.
»Wir haben dir ja gesagt, daß es falsch ist, ihn zu
retten. Du solltest öfter auf uns hören,
Mensch.«
Er war mit hängendem Kopf hinter den Alifwin und Morren
hergeschlichen, aber als er ihre Stimme hörte, hellte sich
seine Miene auf. »Du … du sprichst mit mir?«
fragte er strahlend. »Du hast mir verziehen, daß ich
ein Mensch bin?«
»Ich verzeihe keinem von euch etwas«, sagte Schwinge
eisig. »Und ich rede auch nicht mit dir. Geh zurück zu
deinesgleichen.«
»Aber ich kann nicht anders«, sagte Lonnìl.
»Ich liebe dich! Ich muß dir folgen!«
»Also folgen die Menschen anderen Menschen, weil sie sie
lieben?« fragte Keil neugierig. Lonnìl nickte
unglücklich. »Sehr interessant. Dann folgt dir also
Felder, weil er dich liebt?«
Die anderen fuhren herum. Es stimmte - sie konnten gerade noch
sehen, wie der Mensch ein Stück hinter ihnen eilig hinter
einem Baum verschwand, so als würden sie ihn dann nicht
bemerken.
»Wir werden von einem Menschen verfolgt«, sagte sie
angewidert, »weil der einen Menschen verfolgt, der mich
verfolgt. Ich bin es leid.«
Sie nahm den Bogen von der Schulter, legte einen Pfeil an und
zielte.
Keil fragte sich, ob den
Menschen vielleicht ihr Leben nicht viel wert war. Kein Alifwin
würde auf derartige Weise ständig versuchen, es
loszuwerden. Aber Lonnìl hatte an diesem Tag nicht nur dem
Zauberer seine Kugel fortgenommen, allein gegen ein ganzes Dorf
gekämpft und war mit einem Stecken gegen ein Schwert
angetreten, jetzt machte er den vermutlich größten
Fehler des Tages: Er schlug Schwinge den Bogen aus der Hand, gerade
als sie einen Pfeil abschießen wollte.
Noch im selben Moment fuhr sie herum, und möglicherweise
hätte sie den Menschen sogar mit dem Pfeil aufgespießt,
wenn Morren ihn nicht zu Boden gerissen hätte.
»Tu das nie wieder, mein Freund, hörst du?« sagte
der Zauberer. »Komm ihr nicht zu nahe! Noch einmal rette ich
dich nicht.«
»Aber sie wollte Felder erschießen! Sie hätte ihn
getötet!«
»Wenn ich dich erinnern darf, das hast du heute auch
versucht.«
»Aber ich hatte allen Grund dazu! Sie wollte ihn einfach nur
niederschießen, ohne daß er sich wehren konnte! Und
außerdem …«
»… ist es ein Unterschied, ob ein Mensch von einem
Menschen oder einem Elfen getötet wird, wolltest du doch
sagen?« vollendete der Zauberer seinen Satz.
Lonnìl schaute verlegen zu Boden. »Es tut mir leid,
aber es stimmt doch. Und ich bin nun einmal ein Mensch. Ich kann
nichts dafür.«
Schwinge würdigte ihn keines Blickes, aber immerhin machte
sie keine weiteren Versuche, ihn zu töten. Keil hätte es
ihr gegenüber niemals zugeben dürfen, aber irgendwie
mochte er diesen Menschen mit seiner ehrlichen, impulsiven Art.
»Dann wäre ja alles in Ordnung«, sagte Morren.
Laut rief er: »Es ist alles in Ordnung, Felder! Du kannst
wieder rauskommen! Lonnìl hat dir soeben zum zweiten Mal das
Leben gerettet, und er würde sich freuen, wenn du uns
begleiten könntest!«
»Niemals!« - »Bist du des Wahnsinns?« und
»Was soll das?« schrien Schwinge, Keil und
Lonnìl durcheinander. Hatte der Zauberer den Verstand
verloren? Wie konnte er diesen Menschen dazu einladen, sie zu
begleiten? Oder wollte er ihn nur heranlocken und ihm eine Falle
stellen? Aber Morren lachte nur.
»Wenn du etwas über die Menschen lernen willst, Keil,
so ist er bei weitem ein besseres Anschauungsobjekt für dich
als Lonnìl. Er ist viel typischer. Wenn ihr es genau wissen
wollt, ich kenne die Menschen jetzt seit mehreren hundert Jahren,
aber ein derart heimtückischer, verkommener und skrupelloser
Vertreter ist selbst mir noch nicht untergekommen. Daher würde
ich ihn auch persönlich ganz gerne beobachten. Ich
wüßte gerne, ob er von Lonnìl etwas lernen kann -
oder Lonnìl von ihm. Beobachtet beide, und ihr habt die
komplette Bandbreite des menschlichen Verhaltens - von den
Paarungsritualen einmal abgesehen.« Er redete in der Hohen
Sprache, damit Lonnìl ihn nicht verstehen konnte. Zu dem
Menschen sagte er nur: »Da du heute einen derartigen Wert
darauf legst, das Leben dieses Mann zu schützen, solltest du
dich besser auch in Zukunft um ihn kümmern. Er scheint mir
etwas selbstmörderisch veranlagt zu sein.«
Da tauchte auch schon Felder aus dem Gebüsch auf und grinste
Lonnìl an. »Menschen, Elfen, Zauberer … ihr
wollt mir also noch eine Chance geben.«
Sein etwas eckiges Gesicht war aus der Nähe betrachtet sehr
interessant. Es war so menschlich wie das von Lonnìl, aber
weniger hager. Und alles an ihm wirkte breiter - auch die Nase und
der Mund. Bemerkenswert war eine leichte Einkerbung in der Mitte
von Felders Kinn, die Keil zuerst für eine weitere Narbe
hielt, weil Lonnìl nichts in der Art hatte. Sie schien
jedoch ganz natürlich zu sein. Alles in allem wirkte Felders
Gesicht freundlich und einladend, auch wenn ihm das langgezogene
Auge etwas Verschlagenes gab. Jetzt begriff Keil auch, warum die
Menschen so runde Augen hatten. Normale Augen hätten gar nicht
zu ihren runden Gesichtern gepaßt. Keil fragte sich, welchen
der beiden Männer wohl ein Mensch für schön gehalten
hätte. Gegen Lonnìls blaue Augen hatte Felder
wahrscheinlich wenig Chancen, aber dafür war Felder lustiger.
Ihm fehlte die Düsterheit, die Lonnìls Miene umgab.
Selbst Felders Augen schienen zu lachen. Wahrscheinlich würde
es Spaß machen, ihn zu beobachten.
»Sagen wir es einmal so«, sagte Morren zu dem
Menschenprinzen. »Aus verschiedenen persönlichen
Gründen sind wir zu dem Schluß gekommen, daß du
uns ein Stück weit begleiten darfst. Dies geschieht aber unter
der Bedingung, daß du weder Lonnìl, noch mich, noch
einen von den Alifwin angreifst.«
»Von mir aus … äh, Ali-was?«
Morren seufzte. »Alifwin. Das Volk, das im Licht lebt. Die
beiden Leute dort sind Alifwin.«
»Ach so, du meinst Elfen! Sag das doch gleich! Ich hoffe
mal, daß man zumindest ihre Namen aussprechen kann! Denn
abgesehen davon, daß ich mitbekommen habe, daß mein
Retter Lonnìl heißt, habe ich bis jetzt noch keine
Ahnung, wie ich euch anreden soll.«
»Mein Name ist Morren, und die beiden heißen in deiner
Sprache Keil und Schwinge. Das ist kein Grund zum
Lachen!«
Aber der Mensch war schon nicht mehr zu beruhigen. Keuchend und
hustend versuchte er sich auf Lonnìl zu stützen, der
ihn unwirsch abschüttelte.
»Das muß ich mir merken, auch wenn es mir niemand
glauben wird! Keil und Schwinge, das ist gut. Das muß ich mir
merken. Vielleicht sollte man alle Spitzohren nach ihrem Namen
fragen, bevor man sie erschl-«
Indem Lonnìl ausholte, um ihn zu schlagen, rettete er dem
Menschen vermutlich zum dritten Mal an diesem Tag das Leben. Felder
hatte zwar keine Probleme damit, sich zu ducken und dem Schlag
auszuweichen, aber jetzt erst ging ihm auf, was er da gerade hatte
sagen wollen.
»Ich meinte - oh, Entschuldigung. Ihr dürft nicht auf
das achten, was ich sage. Für gewöhnlich rede ich Unsinn.
Nehmt es mir nicht übel, Leute! Aber ich bin noch nie zuvor
echten Elfen begegnet, und ich kenne auch keinen, der je mit ihnen
geredet hat. Verstehen sie, was ich sage?«
»Wir verstehen und sprechen deine Sprache, Prinz«,
erklärte Keil.
»Ups! Aber ihr könnt keine Gedanken lesen,
oder?«
Keil war froh, daß er es nicht konnte. Er wollte lieber gar
nicht erst wissen, was dieser Mensch über ihn dachte.
Vermutlich war es nicht unbedingt etwas Nettes.
»Und bitte - reibt mir nicht dauernd unter die Nase,
daß ich ein Prinz bin! Ich gebe mir schon selbst die
größte Mühe, es zu vergessen. Ich benehme mich
nicht anders als alle anderen Menschen.«
»Das haben wir gemerkt«, sagte Schwinge. Keil blickte
erstaunt zu ihr hinüber. Seit wann redete sie mit Menschen?
Allerdings konnte sie jetzt froh sein, wenn Felder sie
überhaupt zu Wort kommen ließ. Sein Redeschwall schien
kaum zu bremsen.
Wenn Keil den Wunsch gehabt hatte, etwas über das Leben der
Menschen zu erfahren, dann war jetzt genau der richtige Zeitpunkt
dafür. Während Felder gleichzeitig ziemlich erfolglos
versuchte, Morren über die Zauberer auszufragen, erzählte
er munter von seinem Leben, vorzugsweise von Mädchen, die er
einmal gekannt, und Kämpfen, die er gewonnen hatte. Und da er,
wie er immer wieder betonte, der beste Schwertmeister seines Landes
war, nahm allein das Aufzählen dieser Kämpfe viel Zeit in
Anspruch. Wie es schien, kämpfte dieser Mensch einfach nur aus
reinem Vergnügen daran, und Keil bemerkte, wie Schwinges
Gesichtsausdruck beim Zuhören immer grimmiger wurde.
Vermutlich waren es solche Menschen wie Felder gewesen, die aus
reinem Vergnügen ihre Eltern getötet hatten.
Wer den Bericht des Prinzen jedoch regelrecht zu genießen
schien war Morren. Inzwischen kannte Keil dieses bestimmte
Lächeln des Zauberers, welches anzeigte, daß er etwas
besonders amüsant fand.
»Ist von euch schon einmal jemand in Thoria gewesen?«
fragte Felder gerade. »Müßt ihr auch nicht. Aber
sonst würdet ihr verstehen, warum ich von dort weggegangen
bin. Seitdem habe ich richtige Abenteuer erlebt. Ich bin ziemlich
weit herumgekommen.«
»Und heruntergekommen«, fügte Morren hinzu. Aber
Felder ließ sich nicht provozieren.
»So direkt würde ich das nicht sagen. Mein Kostüm
täuscht da vielleicht etwas. Ich verkleide mich eben gern. Es
erinnert mich nicht ständig daran, daß ich in
Wirklichkeit ein Prinz bin. Ein gemeiner Mann hat doch viel mehr
Spaß am Leben.«
»Paß auf, was du sagst!« warnte Morren.
»Unser Freund Lonnìl hier, der dich
unglücklicherweise gerettet hat, ist nicht gut auf Prinzen zu
sprechen. Er hat ziemlich schlechte Erfahrungen mit Adligen wie dir
gemacht. Und ich bezweifle, daß er bisher sehr viel
Spaß am Leben hatte.«
»Es gibt eben stets Ausnahmen«, sagte Felder
vergnügt. »Und für das Retten bin ich dir immer
noch dankbar.«
»Wie kam es eigentlich«, fragte Keil, weil es ihm die
ganze Zeit schon durch den Kopf ging, »daß er dich
überhaupt retten mußte? Warum hat ein ganzes Dorf
versucht dich umzubringen? Haben sie erfahren, daß du in
Wirklichkeit ein Prinz bist?«
»Bewahre, nein! Die ganze Sache ist eskaliert. Eigentlich
habe ich nur harmlos im örtlichen Wirtshaus gesessen und mit
ein paar Bauern gewürfelt, als sie plötzlich auf die Idee
kamen, ich würde falschspielen, womit sie auch vollkommen
recht hatten. Ich wollte daraufhin möglichst unauffällig
wieder gehen, aber der Wirt fand, ich solle zuerst meine Zeche
bezahlen und hielt mich auf. Es gab einen kleinen Krawall, und der
nächste Schritt war, daß mich die Dorfbevölkerung
in geschlossener Front durch den Ort jagte. In diesen kleinen
Nestern ist sonst nie etwas los, und die Leute nutzen jede
Gelegenheit, die sie bekommen können. Und dann kam unser
Freund Lonnìl und hat mich gerettet. Ansonsten hätte
ich entweder ein unrühmliches Ende genommen oder mein Schwert
benutzen müssen, obwohl es nicht zu meiner Verkleidung als
halbblinder lahmer Spinner gepaßt hätte. Es wirkte doch
sehr überzeugend, nicht? Wobei ich sagen muß, als ich
die Tochter vom Wirt gesehen habe, war ich schon drauf und dran,
meine Maske auffliegen zu lassen. Ich kann nicht behaupten,
daß ich in diesem Kostüm sonderlich attraktiv bin
…«
So redete er noch fast ununterbrochen weiter, bis der Abend
dämmerte. Es gelang Morren ohne großen Aufwand, Felder
fast seine komplette Lebensgeschichte zu entlocken, die sich so
sehr von dem wenigen unterschied, was Lonnìl ihnen
erzählt hatte, wie es nur irgendwie möglich war. Bis
dahin waren für Keil alle Menschen irgendwie gleich gewesen,
aber jetzt lernte er an einem Tag mehr über sie als in seinem
ganzen vorherigen Leben.
»Ich hoffe, er ist bald fertig und geht seines Weges«,
sagte Schwinge. »Er ist ja noch schlimmer als der andere! Ich
halte ihn nicht mehr lange aus.«
»Ehrlich gesagt bezweifle ich, daß wir ihn so schnell
wieder loswerden«, entgegnete Morren leise. »Und
irgendwie möchte ich das auch gar nicht. Es ist schwer zu
glauben, aber ich mag diesen Menschen, und nicht nur, weil er ein
Musterbeispiel an Verkommenheit ist. Auf seine Art besitzt er ein
einnehmendes Wesen, und ich wüßte gerne, ob sich etwas
daraus machen läßt.«
»Was hast du mit ihm vor?« fragte Keil.
»Ich möchte ihn formen. Und das will ich nicht nur aus
persönlichen Interesse daran tun, sondern weil ich mir
vorstelle, daß es für sein Volk nur Nachteile mit sich
bringen würde, wenn es ihn zum König bekäme.
Lonnìls Methode, alle schlechten Herrscher umzubringen, mag
vielleicht drastischer sein, aber ich denke, auf die Dauer wird sie
keinen Erfolg haben. Jeder tote schlechte Herrscher kann von einem
weitaus schlechteren abgelöst werden, aber ein guter Herrscher
ist ein guter Herrscher.«
»Du hast also vor, seinen Verstand zu verändern?«
Dieser Gedanke gefiel Keil nicht, egal, wie löblich die
Absicht sein mochte, die dahinter steckte.
»Nein«, sagte Morren und lachte. »Das wäre
zu einfach und würde nichts bringen. Ich habe vor, ihn mit
eurer und Lonnìls Hilfe umzuerziehen, weiter
nichts.«
»Ich sehe nicht ein, was das bringen sollte«, wandte
Schwinge ein. »Wir haben eine andere Aufgabe zu erledigen,
und er wird uns nur davon abhalten, abgesehen davon, daß er
sicher noch weitere Schwierigkeiten machen wird.«
»Du wirst ihn mir überlassen, in Ordnung?«
Plötzlich war wieder dieser drohende Unterton in Morrens
Stimme. »Und wenn du beschließen solltest, deinen
Haß auf die Menschen an ihm auszuleben, dann wirst du
Ärger mit mir bekommen. Ich begleite euch als neutrale Figur
aus persönlichem Vergnügen. Aber niemand zwingt mich,
euch bei eurer Suche zu helfen. Ich sagte euch doch, daß ich
sowieso vorhatte, auszuziehen, um einige Studien zu betreiben.
Sehen wir vorerst einmal Felder als ihren Inhalt an.«
»Es ist eine interessante Sprache, die ihr da
sprecht«, stellte Felder fest. »Ich frage mich, warum
ihr nicht schon alle Knoten in der Zunge habt! Es ist mir ein
Rätsel, wie man so reden kann. Bringt ihr es mir
bei?«
»Nein«, war alles, was Morren hierauf antwortete -
sehr zu Keils Erleichterung. Es hätte an Verrat gegrenzt, wenn
der Zauberer einem Menschen, selbst wenn er sein Studienobjekt war,
die Hohe Sprache beigebracht hätte. Felder begriff sofort,
daß dies ein endgültiges ‘Nein’ war, denn er
fragte nicht mehr weiter danach. Statt dessen holte er eine
Wolldecke aus seinem Bündel und begann, ein Nachtlager
aufzuschlagen. Schweigend half ihm Lonnìl, ein Feuer in Gang
zu setzen, obwohl ein Wink von Morren vollkommen genügt
hätte.
Zumindest im Schlaf redete Felder nicht mehr. Aber er schnarchte
mit der Lautstärke und Ausdauer eines Bären. Während
er einzuschlafen versuchte, hörte Keil noch, wie Morren
murmelte: »Ich gebe zu, vielleicht war es doch ein
Fehler, ihn zu behalten. Aber was soll’s.«
Im nächsten Moment herrschte Ruhe. Nichts war mehr zu
hören als das leise zufriedene Lachen des
Zauberers.
Am nächsten Morgen wurde
Lonnìl von Kampfeslärm wach. Er hörte Schreie und
etwas, das wie schwere Schläge klang. Erschrocken setzte er
sich auf. Was war passiert? Griff man sie an? Immer noch
schlaftrunken, langte er instinktiv nach seinem Stab. Dann erst sah
er, was eigentlich los war. Was wie ein größerer Kampf
klang, war in Wirklichkeit nur eine einzelne Person. Felder, der
mit seiner Hose bekleidet, hieb mit geschlossenen Augen auf einen
Busch ein.
»Felder, wach auf!« rief Lonnìl. »Du hast
einen Alptraum!«
Felder ließ das Schwert sinken und sah zu ihm herüber.
»Das wüßte ich aber«, sagte er, bevor er den
Busch erneut angriff.
»Was um alles in der Welt tust du da?« fragte
Lonnìl.
»Ich trainiere. Es ist für einen Schwertkämpfer
sehr wichtig, in Form zu sein. Jeden Morgen bei Sonnenaufgang einen
kleinen Kampf - das solltest du auch einmal versuchen. Wenn du
keinen geeigneten Gegner findest, muß eben auch mal ein
Strauch herhalten, obwohl die Klinge dann schnell schartig wird.
Aber es macht so wenig Spaß, in der leeren Luft
herumzufuchteln, nicht wahr? Habe ich dich geweckt? Die Elfen sind
schon länger auf. Frag mich nicht, wo sie hingegangen
sind.«
»Das kann ich dir sagen«, antwortete Morren, der neben
den Resten des Feuers am Boden hockte und den ‘Kampf’
interessiert verfolgt hatte. »Sie suchen nach Wasser und
frischer Nahrung, und wenn sie sehen, was du diesem Busch angetan
hast, werden sie ein ernstes Wort mit dir reden wollen. Die Alifwin
mögen es nicht, wenn man einer Pflanze unnötig Schaden
zufügt. Sie sind die Hüter des Waldes.«
Felder warf einen bedauernden Blick auf die traurigen
Überreste des Busches. »Nichts für ungut, mein
grüner Freund. Ich hoffe, du vergibst mir die Art, wie ich mit
dir umgesprungen bin, und falls es dich tröstet, hat diese
Aktion meinem Schwert mindestens so weh getan wie dir - Wenn du das
die ganze Zeit gewußt hast, Zauberer, warum hast du mich dann
nicht gewarnt? Überhaupt - sich anzustellen wegen ein paar
Blättern! Sie können froh sein, daß ich mich nur an
dem Busch abreagiert habe! Aber wie ist es, Lonnìl -
hast du Lust auf einen kleinen Kampf?«
»Sei froh, daß ich nicht mit dir kämpfen will,
Prinz«, sagte Lonnìl. »Denn ein zweites Mal
würdest du nicht überleben. Ich hege keine Freundschaft
für Leute wie dich.«
»Hörst du das, Zauberer!« beschwerte sich Felder.
»Er hat etwas gegen mich. Grundlos! Kannst du mir vielleicht
sagen, was an mir nun verkehrt ist?«
»Ich verabscheue alle sogenannten Edelleute«, sagte
Lonnìl. »Einer von euch ist schlimmer als der
andere.«
»Ja, du hast gestern etwas in der Art anklingen lassen
… aber wie kommst du auf diese Idee?«
Lonnìl rang mit sich, ob er Felder seine Geschichte
erzählen sollte. Der Prinz würde vermutlich nur ein
Lachen dafür übrig haben. Andererseits sollte er
erfahren, was am Adel so hassenswert war.
»Meine Familie wurde durch die Willkür eines
Fürsten getötet«, sagte er schließlich.
»Seitdem habe ich allen Tyrannen den Krieg geschworen, und
ich werde nicht eher damit aufhören, als bis es Gerechtigkeit
gibt auf der Welt.«
»Welch löbliches Unterfangen«, sagte Felder, der
kein bißchen berührt schien. »Aber das
erklärt noch lange nicht, was du jetzt gegen mich hast. Noch
bin ich kein Tyrann. Von mir aus kannst du gegen mich kämpfen,
wenn ich erst einmal König bin. Aber ich sehe nicht ein, warum
wir nicht bis dahin Freunde sein können. Du könntest noch
einiges von mir lernen.« Er sah zu Morren hinüber, der
angefangen hatte zu lachen. »Ist was?«
»Umgekehrt!« rief der Zauberer. »Du solltest von
unserem Freund Lonnìl lernen, Felder. Er hat dir einiges
voraus.«
Felder sah Lonnìl abschätzend an, und sein Grinsen
wurde immer breiter. Schließlich sagte er: »Ich
wüßte nicht, in welcher Hinsicht, wenn man mal von einer
Handspann Körpergröße und vielleicht ein paar
zusätzlichen Muskeln absieht. Ansonsten …
nein.«
Lonnìl ließ sich gerade noch durch einen scharfen
Blick von Morren zurückhalten, sonst wäre er jetzt
vermutlich wirklich auf Felder losgegangen.
Während des Frühstücks redete der Prinz fast
ununterbrochen, was ihn jedoch nicht vom Essen abhielt. Er schien
nicht einmal zu bemerken, daß ihm eigentlich niemand
zuhörte, außer vielleicht dem Zauberer, der in ihm
jedoch mehr eine Belustigung als einen ernstzunehmenden Begleiter
sah. Lonnìl verfluchte sich zum wiederholten Mal dafür,
den Burschen gerettet zu haben. Bevor er das nächste Mal etwas
derartiges tat, würde er sich zunächst über die
Hintergründe informieren. Aber das war jetzt leichter gedacht
als getan. Zum einen sah er einfach rot, wenn er irgendwo Zeuge
eines Unrechtes wurde, und konnte gar nicht anders, als
einzugreifen. Und zum anderen war es jetzt zu spät. Er hatte
den Prinzen am Hals, und so, wie es aussah, würde er ihn so
schnell nicht wieder loswerden.
Lonnìl blickte zu Schwinge hinüber und hoffte,
daß sie es nicht merken würde. Sie mochte es nicht, wenn
er sie ansah, und versuchte, seinen Blicken auszuweichen. Aber mehr
wollte er doch gar nicht. Ihm war klar, daß sie ihn jetzt
noch nicht würde widerlieben können. Solange er einfach
in ihrer Nähe sein konnte, ihr helfen konnte, wenn sie es
brauchte, war er glücklich. Zumindest glücklicher, als er
ohne sie wäre. Die Morgensonne gab ihren Haar einen goldenen
Stich und ließ ihre Haut schimmern. Mit jedem Tag erschien
die Elfe Lonnìl schöner, aber sie war ihm immer noch so
fern wie an dem Tag, an dem er sie zuerst gesehen hatte.
Felder riß ihn aus seinen Gedankengängen, indem er ihm
gegen den Arm schlug. »Könntest du, statt dazusitzen und
zu träumen, vielleicht endlich mal meine Frage
beantworten?«
»Was ist denn nun schon wieder?« fragte Lonnìl
verärgert.
»Ich habe dich jetzt schon dreimal gefragt, was einen
Menschen wie dich dazu bringt, mit einer Gruppe von Elfen und
anderem nichtmenschlichen Gesocks herumzuziehen, statt deiner
selbstauferlegten Aufgabe nachzugehen und Grafen
abzuschlachten.«
»Ich kann nicht anders«, murmelte Lonnìl.
»Ich liebe sie. Ich muß ihr folgen.«
Felder sah sich verwirrt um. »Wem denn?«
»Schwinge«, flüsterte Lonnìl und
spürte, wie er über und über rot wurde. Es war ein
Fehler gewesen, das zu sagen. Felder mußte so lachen,
daß er sich an seinem Kräutertee verschluckte und zu
husten begann.
»Ich glaube es nicht!« ächzte er
schließlich. »Das ist ja noch schlimmer, als ich
für möglich gehalten hätte. Willst du damit sagen,
das ist ein Mädchen? Wie hast du das erkannt? Für
mich sehen beide gleich aus. Bist du dir vollkommen
sicher?«
Lonnìl wäre am liebsten im Boden versunken. »Sei
doch still!« zischte er. Aber Felder ließ sich nicht
beirren. Immer noch lachend, löste er die Flasche von seinem
Gürtel.
»Ich trinke auf das junge Glück! Möge es ewig
währen. Mit Verlaub - bist du dir wirklich sicher, daß
nicht der andere das Mädchen ist? Ich kann mir keine Frau mit
Bogen vorstellen … aber ich bevorzuge sowieso Frauen, die
man von weitem als solche erkennt. Es ist deine Sache, an wen du
dein Herz verlierst. Über Geschmack läßt sich
streiten. Zum Wohlsein.«
»Wenn ich dir einen gutgemeinten Rat geben darf, mein
Freund«, sagte Morren leise, »sag jetzt am besten gar
nichts mehr! Denn es könnte sein, daß irgendeinem von
uns die Geduld reißt. Und in dem Fall dürftest du das
Nachsehen haben, Mensch.«
Felder hörte auf zu lachen, wich verstört zurück
und blieb still, bis sie das Lager abbrachen und sich wieder auf
den Weg machten. Auch danach waren seine Bemerkungen nicht mehr so
geschmacklos wie zuvor.
»Ich wüßte auch gerne etwas«, sagte
Lonnìl. »Was bringt einen Prinzen wie dich, der
offensichtlich für Elfen nicht sonderlich viel übrig hat,
dazu, sich uns anzuschließen? Es ist doch nicht nur, weil ich
dich gerettet habe, oder?«
»Ich kann nicht lange an einer Stelle bleiben«,
antwortete Felder. »Mich lockt das Abenteuer. Es gibt von
Haus aus wenig Beschäftigung für einen Kronprinzen
außer Warten. Und ich vertreibe mir die Zeit lieber mit etwas
Aufregendem.«
»Das ist keine Antwort«, sagte Lonnìl.
»Es erscheint mir interessant, eine Zeitlang mit einer
Gruppe zu reisen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es mit
euch langweilig wird. Selbst wenn die Elfen mich weiterhin
weitgehend ignorieren, seid ihr doch beileibe interessanter als
diese zurückgebliebenen Bauerntrampel. Ich wollte schon immer
jemanden treffen, der …« Felder brach ab und blickte
versonnen in die Ferne.
»Der was?«
»Nicht so wichtig. Zaubern kann, meine ich. Glaubst du, wir
könnten es lernen?«
Lonnìl war sicher, daß Felder eigentlich etwas
anderes sagen wollte, aber er hatte keine Idee, was gemeint war. Es
hatte zu ernst geklungen, um eine abfällige Bemerkung
über die Elfen zu sein.
»Es ist nicht leicht, ein Prinz zu sein«, seufzte
Felder. »Du kannst dir ja gar nicht vorstellen, wie sehr man
sich dabei langweilt! Glaub mir, ich beneide dich!«
»Und ich beneide dich kein Bißchen«, sagte
Lonnìl eisig. »Um nichts in der Welt möchte ich
ein solcher Dreckskerl sein, wie du einer bist.« Damit
ließ er ihn stehen. Einen Moment lang fürchtete er,
Felder würde hinter ihm herlaufen, aber dieser zuckte nur die
Schultern und wandte sich dem Zauberer zu.
Plötzlich blieb Schwinge
stehen und hob warnend die Hand. »Halt, wartet!
Gefahr!«
Keil lauschte angestrengt: Die Vögel sangen, und Felder
redete, so wie es schon den ganzen Tag über gewesen war.
»Was ist denn?«
»Riechst du es nicht?« fragte Schwinge. »Ich
weiß nicht, was es ist, aber ich habe es schon seit einiger
Zeit in der Nase. Wir sollten gewappnet sein.«
Als Keil noch einmal schnupperte, mußte er ihr recht geben.
Er wußte, wie Wälder rochen. Und zwischen den Geruch von
Moos und Bäumen mischte sich jetzt etwas Fremdes. Keil
hätte weder sagen können, was es war, noch den stechenden
Geruch genau umschreiben. Es war unangenehm, und Keil spürte,
als er versuchte, sich darauf zu konzentrieren, ein leichtes
Gefühl von Übelkeit. Schwinge hatte recht: Es lag
Bedrohung in der Luft. »Was ist das?« fragte er
beunruhigt.
Felder sah ihn an und begann nun ebenfalls, lautstark zu
schnüffeln. »Also, ich rieche nichts«, sagte er
dann, griff aber schon nach seinem Schwert.
»Natürlich kannst du nichts riechen«,
erklärte Morren, der bei ihm stand. »Und das hat seine
guten Gründe. Schwinge, du solltest einfach versuchen, das zu
ignorieren. Es ist zwar nicht unbedingt angenehm, aber harmlos. Ihr
werdet euch daran gewöhnen.«
»Du weißt, was es ist?« fragte Schwinge.
»Sag es mir!«
»Du bist eine Jägerin und wirst mir zustimmen,
daß jeden Tier seinen eigenen Geruch hat, nicht wahr? Mit
Menschen verhält es sich ebenso. Sie mögen für euch
vielleicht alle mehr oder weniger gleich aussehen, aber so habt ihr
jetzt eine Möglichkeit, unsere Freunde Lonnìl und
Felder selbst mit geschlossenen Augen auseinanderzuhalten. Felder,
wärst du so freundlich und würdest den Alifwin
erläutern, wie es dazu kommt?«
»Wie gesagt, ich rieche nichts«, sagte Felder.
»Ich nehme aber mal an, daß ihr einfach feinere Nasen
habt als wir. Ich kann es mir nur so erklären, daß ich
bei Hofe erzogen wurde und schon von Kindesbeinen an gelernt habe,
wie wichtig es ist, sich regelmäßig zu waschen. Ich
bitte euch, daß ihr ein Nachsehen mit Lonnìl habt. Er
hatte es nicht leicht im Leben, und -« Im letzten Moment wich
er einer Ohrfeige aus.
»Das war vollkommen falsch«, sagte Morren. »Du
scheinst nicht ganz verstanden zu haben, daß es hierbei um
dich geht. Zu deiner Information: Bis jetzt hat sich
Lonnìl jeden Tag, seit ich ihn kenne, gewaschen, ganz
gleich, wie hart er es im Leben hatte. Kein Alifwin würde
jemanden in seiner Nähe dulden, der stinkt wie ein
ungewaschener Zwerg. Aber überlegt noch einmal, Keil und
Schwinge: Ihr seid diesem Geruch schon einmal begegnet … in
dem Menschengasthaus, in dem wir Lonnìl kennengelernt haben.
Dies ist ein typischer Geruch für Menschen, darum fällt
er ihnen nicht weiter auf. Versteht ihr langsam, was ich
meine?«
»Wir wollen keine Rätsel raten«, sagte Schwinge
ärgerlich. »Sag uns, was los ist!«
»Ich wollte es nur unterhaltsamer gestalten«,
entschuldigte sich Morren mit einem Schulternzucken, »und
weniger peinlich für Felder, obwohl ihm ja kaum etwas peinlich
genug sein kann. Wärest du so freundlich, Felder, ihnen
für einen Moment deine Feldflasche zu leihen? So ist es gut.
Ihr habt euch ja nun schon öfters gefragt, wieso gerade die
Menschen die Welt erobern konnten, obwohl sie über keinerlei
Magie verfügen. Aber sie haben einen Trank entdeckt, der sie
unbesiegbar macht. Zumindest glauben das diejenigen, die davon
trinken. Er birgt allerdings gewisse Risiken.«
Schwinge, welche die Flasche geöffnet und daran gerochen
hatte, verzog derart angewidert das Gesicht, daß Keil es
lieber nicht erst genauer wissen wollte. Darum gab er die Flasche
schnell an Felder zurück, der sie eilig wieder an seinem
Gürtel festmachte. Er war im Gesicht ganz rot und blickte zu
Boden.
»Können wir vielleicht jetzt über etwas anderes
sprechen?« fragte er verlegen. »Das hier … das
ist nichts für Elfen.«
»Es ist aber wichtig«, sagte Morren. »Sie wollen
etwas über Menschen wissen, und du mußt zugeben,
daß Alkohol in eurem Leben eine große Rolle spielt. Ich
wollte auch nur noch abschließend sagen, daß sie, was
die Wirkung angeht, einfach nur dich beobachten müssen. Sie
sind nicht dumm. Wenn sie erst einmal die Hintergründe kennen,
wissen sie schnell, um was es geht.«
»Jetzt übertreibst du wirklich, Zauberer! Ich trinke
eigentlich immer nur wenig. Wie, glaubst du, könnte ich der
beste Schwertkämpfer meines Landes sein, wenn ich ein
Säufer wäre? Man kann nicht kämpfen, wenn man
betrunken ist. Ich habe diesen Fehler im Leben erst einmal begangen
- falls ihr euch gefragt haben solltet, was mit meinem Auge
passiert ist. Damals hatte mein Gegner das Pech, daß er noch
einiges mehr getrunken hatte als er - oder zumindest weniger
vertrug. Aber ich meine - seht mich doch an: Es ist Nachmittag, und
ich bin immer noch fast vollkommen nüchtern!«
»Ist das etwas Besonderes?« fragte Morren und
lächelte. »Wenn ich dir jetzt deine Flasche
wegnähme und sie hier auf dem Waldboden ausgösse, was
würdest du dann tun?«
Felder überlegte einem Moment, dann begann er zu lachen.
»Das, was ich in solchen Zeiten der Leere immer tue: Ich
würde zum nächsten Bauern gehen und sagen, man habe mir
wahre Wunderdinge über seinen Hausgebrannten erzählt. Ich
bin noch nie einem Bauern begegnet, der nicht irgendein
Fäßchen im Keller hatte. War die Drohung ernst
gemeint?«
»Worauf willst du hinaus?« fragte Morren.
»Nun, ich könnte dir vorgreifen und die Flasche auch
selber leeren, aber nicht auf den Boden. Dann hätten die Elfen
ihr Anschauungsobjekt. Aber ich glaube nicht, daß ihr das
wirklich wollt.«
»Mach es nicht schlimmer, als es ohnehin schon ist«,
sagte Lonnìl gequält. » Ich habe vielleicht nicht
so eine feine Nase wie die Elfen, aber …« Er sprach
den Satz nicht zu Ende.
»Nun gut«, sagte Morren. »Ihr sehr also,
daß es auch vernünftige Menschen gibt.«
»Vernunft liegt immer im Auge des Betrachters. Ihr
wißt einfach nicht, was gut für euch ist.« Felder
lachte. »Habe ich euch eigentlich schon
…«
Keil konnte die Vögel
nicht mehr hören, es sei denn, er strengte sich an. Felders
Gerede übertönte ihren plappernden Gesang nahezu
ununterbrochen. Innerhalb von drei Tagen, die sie mit ihm zusammen
reisten, fielen mehr Worte als in der ganzen Zeit, seit Schwinge
und Keil aufgebrochen waren. Und fast alle kamen aus Felders
unermüdlichem Mund.
»Ich begreife nicht, warum du mir immer noch aus dem Weg
gehst, Lonnìl«, sagte er zum Beispiel. »Man
könnte fast meinen, du hättest Angst vor mir! Aber warum
sollte ich dir etwas tun wollen? Weil du umherziehst und Grafen
tötest? Glaub mir, ich trage dir da gar nichts nach.
Genaugenommen habe ich sogar volles Verständnis dafür.
Ich habe es schließlich auch schon getan - Grafen
getötet, meine ich.«
»Wie soll ich das verstehen?« fragte Lonnìl
irritiert. »Du versuchst jetzt nicht, mir weiszumachen,
daß du auch ein Kämpfer gegen die Tyrannen und
Unterdrücker bist?«
»Bloß nicht!« rief Felder entsetzt. »Auf
diese Idee käme ich niemals! Ich will damit nur sagen,
daß ich auch schon einmal einen Grafen getötet habe und
dir das Abschlachten der Edlen folglich nicht weiter
übelnehmen kann.«
»Und warum hast du dann einen Grafen getötet?«
fragte Morren interessiert. »Du wirst ihn doch
hoffentlich nicht grundlos erschlagen haben?«
»Mir blieb nichts anderes übrig! Graf Arlin wollte mich
töten, und irgendwie hatte ich zu dem Zeitpunkt etwas
dagegen.«
»Und warum«, fragte Morren, zunehmend amüsiert,
»wollte Graf Arlin dich töten?«
»Ihm mißfiel, was ich mit seiner Frau tat …
oder sie mit mir. Genaugenommen habe ich mich sogar ziemlich lange
gegen ihre Annäherungsversuche gesträubt. Aber sie wollte
mich, und … nun ja, ich war ihr auch nicht gerade abgeneigt
…«
»… und dann kam ihr Mann rein«, vollendete
Morren den Satz.
Felder nickte. »Brüllend. Mit einem Breitschwert. Und
natürlich griff er mich sofort an. Jetzt stellt euch mal meine
Situation vor! Da lag ich, ohne Waffen, hilflos, nur mit einer
Gräfin bekleidet, und auf der anderen Seite dieser Graf mit
diesem riesigen Schwert und den Qualmwolken, die aus seiner Nase
quollen!«
Jetzt blieb Keil nichts anderes übrig, als zu gestehen,
daß er nicht die leiseste Ahnung hatte, wovon der Mensch
sprach. Das wiederum schien Felder völlig aus dem Konzept zu
bringen, denn er starrte ihn fassungslos an.
»Ihr wißt nicht, was es bedeutet, wenn ein Mann seine
Frau im Bett mit einem anderen erwischt?« fragte er
entgeistert. »Was seid ihr nur für ein Volk? Nein, nein,
ich will es gar nicht wissen! Und ihr Elfen solltet lieber froh
sein, daß ihr nicht versteht, was ich meine. Ich werde es
euch bei Gelegenheit erklären. Im Moment reicht es mir, wenn
Lonnìl und Morren mich verstehen. Also: Auf der einen Seite
Graf Arlin mit Schwert. Auf der anderen Seite ich, in Gefahr, mein
Leben zu verlieren. Wenn er jetzt zuschlägt, bin ich in tot.
Aber ich weiß: Der Graf ist ein Mann der Ehre.«
»Was man von dir nicht gerade sagen kann«, warf Morren
ein.
Felder nickte zustimmend. »Der Graf brüllt: ‘Steh
auf, du Hund!’ - ‘Das kann ich nicht, bei meinem
Leben’, antworte ich kläglich. ‘Denn ihr habt so
ein langes Breitschwert, und ich nicht einmal ein Taschenmesser.
Ihr könnt doch nicht einen nackten Mann erschlagen
wollen?’. Das kann er natürlich tatsächlich nicht.
Er muß beweisen, daß er, im Gegensatz zu mir, über
Ehre verfügt. Also gibt er mir die Gelegenheit, mich
anzuziehen, leiht mir sein Zweitschwert und fordert mich zum Duell.
Selbst schuld, sag ich.«
Keil hatte versucht, der Geschichte so gut es ging zu folgen, auch
wenn er sie nicht ganz verstand. Allmählich bekam er eine vage
Idee davon, worum was es ging. Der Gedanke, daß die neuen
Herrscher der Welt auf einer Höhe mit balzenden
Wiesenhähnen standen, erheiterte Keil, und auch Morren lachte
leise vor sich hin. Aber Lonnìl war ernst geblieben.
»Und was wurde aus der Gräfin?« fragte er.
»Ich hoffe, sie war mir dankbar«, antwortete Felder.
»Ich weiß es nicht genau, weil ich sie danach nie
wieder gesehen habe. Irgendwie hielt ich es nach diesem …
Zwischenfall für ratsam, Thoria für einige Zeit den
Rücken zu kehren.«
»Wenn du zurückkämest«, fragte Lonnìl
weiter, »würde man dich dann hängen?«
Felder lachte. »Natürlich nicht. Abgesehen davon,
daß man den Prinzen niemals verurteilen würde - es war
doch ein Duell, kein Mord. Mir wäre überhaupt nichts
passiert. Aber es war diskreter für mich, zu gehen. Ich wollte
nicht, daß die Gräfin hingerichtet wird.«
»Warum sollte man die Gräfin hinrichten?« fragte
Keil erstaunt. »Sie hat doch niemanden
getötet.«
»Ehebruch ist strafbar«, sagte Felder nur.
Keil kam zu dem Schluß, daß es wohl doch noch etwas
dauern würde, bis er die Menschen zu begriff. Morren dagegen
schien sie bereits voll und ganz verstanden zu haben, denn er sah
Felder mit unbewegter Miene an und sagte ruhig: »Ich glaube,
ein größerer Lump als du ist mir noch nie über den
Weg gelaufen, und das schließt einen ausgesprochen langen
Zeitraum ein.«
Felder, der inzwischen gelernt hatte, dem Blick des Zauberers
standzuhalten, lächelte zurück, so als könne er dem
nur zustimmen.
Sie redete nicht mit ihm.
Lonnìl wußte bald nicht mehr, was er tun sollte. Er
liebte sie - sie wußte, daß er sie liebte - trotzdem
behandelte sie ihn immer noch so, als ob er ihr Böses wollte.
Er war doch nicht wie Felder, der sich ihnen aus reinem
Vergnügen angeschlossen hatte. Lonnìl hätte den
Elfen in jedem Fall geholfen, einfach weil es das einzig Richtige
war. Er konnte nicht von Schwinge verlangen, daß sie sich
einfach so in ihn verliebte. Aber sie konnte doch wenigstens mit
ihm sprechen! Keil redete doch auch mit ihm. Nicht einmal das
schien sie zu billigen. Was mußte er denn noch tun, damit sie
ihn akzeptierte?
Als er sie das fragte, bekam er als einzige Antwort nur einen
verächtlichen Blick. Morren, der es gehört hatte, zuckte
mitleidig die Schultern. Und Felder grinste.
»Ich habe dir doch gesagt, du sollst es aufgeben! Such dir
eine richtige, gut gebaute Menschenfrau, wenn du noch keine hast.
Sie will dich los sein, Freund Lonnìl. Das solltest du
respektieren.«
»Sie will auch dich los sein«, bemerkte Morren.
»Das weiß ich. Aber ich stelle ihr immerhin nicht
nach. Ich gehe nur zufällig in die gleiche Richtung wie ihr
und nutze die Gelegenheit, um ein paar intelligente Gespräche
zu führen und meinen Horizont zu erweitern.«
»Wo willst du eigentlich hin?« fragte Lonnìl,
aber er erwartete gar keine klare Antwort.
»Ich will dorthin, wo ich noch nicht gewesen bin«, war
auch tatsächlich alles, was von Felder kam. »Aber wo wir
gerade dabei sind - was ist überhaupt euer Ziel?«
Lonnìl zögerte mit der Antwort. Egal, wie er es
ausdrückte - es mußte in den Ohren des Prinzen wie ein
faszinierendes Abenteuer klingen, und dann würden sie ihn
wirklich nicht mehr los. Aber auch Keil hatte Felders Frage
gehört, und obwohl Schwinge etwas zu ihm sagte, das wohl ein
Befehl zu schweigen war, drehte er sich zu den beiden Männern
um und erzählte Felder die ganze Geschichte.
Felder hörte ruhig zu, ohne Keil auch nur ein einziges Mal zu
unterbrechen, was Lonnìl nicht für möglich
gehalten hätte. Schließlich sagte er: »Das war
wirklich mal eine schöne Geschichte. Ich habe Märchen
immer schon gemocht. Nein, echt. Selbst, wenn es die Wahrheit ist,
ist es immer noch eine schöne Geschichte. Was mich angeht -
ich bin selbstverständlich dabei. Es könnte mir helfen,
eine Legende zu werden, die über die Rolle des schlechtesten
König, den Thoria jemals hatte, hinausgeht. ‘Als der
legendäre Prinz Felder mit seinen getreuen Freunden auszog, um
die zauberhaften Instrumente der Hohen zu finden …’,
klingt doch gut. Ich bin nur noch etwas verwirrt. Du sagtest
gerade, ihr seid auf dem Weg zu den Elben? Wollt ihr schon wieder
zurück, obwohl ihr noch gar nichts gefunden habt?«
»Ich verstehe nicht, was du meinst«, sagte Keil.
»Du und Schwinge, ihr seid doch selber Elben.«
Keil sah ihn verwirrt an. »Wir sind keine Elben - wir sind
Alifwin.«
»Elben, Elfen … ist das nicht das selbe? Ein Spitzohr
ist wie das andere, wenn du mich fragst. Obwohl du es
natürlich besser wissen mußt, wo du selbst eins
bist.«
»Aber die Elben haben gar keine spitzen Ohren«,
erklärte Keil fassungslos. »Sie sehen ein wenig so aus
wie die Menschen, oder genauer gesagt, ihr sehr aus wie sie, denn
sie waren natürlich vor euch da. Und sie leben nicht in
kleinen Dörfern wie die Alifwin, sondern bauen wundervolle
Festen. Dafür ist allerdings ihre Magie auch schwächer
als unsere. Sie ist an bestimmte Kristalle gebunden. Niemand kann
die Elben mit uns verwechseln!«
»Ich denke, das tun die meisten Menschen trotzdem«,
sagte Felder.
Die Worte, die Schwinge ihm
zugezischt hatte, klangen noch immer hart in Keils Ohren, obwohl es
schon fast einen halben Tag her war.
»Du scheinst mehr an deine Menschenfreunde zu denken, als
daran, wie wir unserem Volk helfen können.
Verräter!« Schwinge hatte genau das gesagt, wovor auch
schon Morren ihn gewarnt hatte: Daß er seine Mission aufs
Spiel setzte, wenn er sich zu sehr für die Menschen
interessierte. Aber jetzt konnte er nicht mehr behaupten, daß
er sie zwar interessant fand, aber keine Freundschaft für sie
hegte. Je länger er die Menschen kannte, desto weniger
verstand und desto mehr mochte er sie. Der menschliche Humor war
vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig, aber sehr
ausgeprägt. Niemand durfte auf die Idee kommen, über
Schwinge zu lachen. Aber wenn jemand über Felder lachte,
lachte Felder einfach mit. So machte es Keil weniger aus, daß
Felder im gleichen Maße auch über ihn lachte, selbst
wenn Keil sich nicht bewußt war, etwas Komisches gesagt zu
haben. Keil begann Felder wirklich zu mögen - und das entging
Schwinge nicht.
Die Landschaft hatte sich stark verändert. Jetzt
schlängelte sicher der Weg durch ein Hügelland, und bald
würden sie die Berge erreichen. Allerdings war auch das
Vorankommen jetzt mühsamer. Dieser Pfad wurde nicht besonders
stark genutzt - wie Morren erzählte, wußten nur die
wenigsten, daß er überhaupt existierte.
Um Schwinge auszuweichen, ging Keil ganz am Ende der Gruppe. Er
sang leise vor sich hin und merkte gar nicht, daß er immer
weiter zurückfiel. Als er schließlich aufsah, waren
seine Gefährten fast außer Sichtweite. Aber er
würde die anderen schon wieder einholen.
»Gehst du immer so langsam?« fragte Felder, der hinter
der nächsten Biegung auf ihn wartete. »Oder bist du
eingeschlafen?«
»Ich habe gesungen«, erklärte Keil. »Ich
habe nicht auf euch geachtet.«
»Du singst eigentlich dauernd«, stellte Felder fest.
»Nicht, daß ich etwas dagegen hätte, du hast eine
ganz hübsche Stimme, aber es klingt immer so trübsinnig.
Kannst du nichts Flotteres? Ich verstehe zwar kein Wort, von dem,
was du singst, aber es deprimiert mich immer so, wenn ich dir
länger zuhören muß. Ich kann dir ein paar
fröhliche Lieder beibringen, wenn du willst. Das einzig Gute,
was man über Thoria sagen kann, ist, daß die Leute dort
Ahnung vom Singen haben. Ich habe immer schon gerne
gesungen.«
Das verwunderte Keil. Er hätte nicht gedacht, daß die
Menschen Musik hatten. Aber als Felder jetzt zu singen anfing,
klang es nicht so furchtbar, wie Keil erwartet hatte. Es war
natürlich anders als aller Gesang, den er zuvor gehört
hatte, aber eigentlich ganz schön. Felders Stimme war nicht
hell und klar wie die eines Alifwin, sondern viel dunkler, und sein
Gesang hörte sich etwas rauh an. Aber dafür wirkte es
sehr lebendig und ungeheuer kraftvoll. Einen Moment lang
wünschte Keil sich, so singen zu können. Doch dies war
Musik für Menschen. Und einen derartigen Text
hätte Keil auch niemals singen können. Er spürte,
wie er rot wurde, und bat Felder nach den ersten fünf
Strophen, aufzuhören.
»Du hast aber auch wirklich keinen Sinn für
Humor«, sagte Felder. »Wenn alle Elfen so prüde
sind, tut mir Lonnìl wirklich leid. Dabei war dieses Lied
völlig harmlos. Ich kann noch ein paar viel Schönere,
aber die habe ich noch nie nüchtern gesungen. Was mich daran
erinnert, daß es an der Zeit ist …«
Keil beobachtete ihn interessiert, wie er aus seiner Feldflasche
trank. Felder nahm immer nur ein oder zwei Schlucke. Keil fragte
sich, was er überhaupt daran fand. Vielleicht hielt es die
Mücken und wilden Tiere fern, wenn sie den Gestank
witterten.
»Wie schmeckt das eigentlich?« fragte er neugierig,
nachdem Felder fertig war.
»Schwer zu beschreiben. Lecker. Es wird aus Getreide
hergestellt, aber damit hat es überhaupt keine
Ähnlichkeit mehr. Warum probierst du es nicht einfach
selber?«
Keil überlegte kurz. Warum eigentlich nicht? Es schien Felder
entgegen allem, was Morren sagte, kaum zu schaden, und ein Schluck
würde Keil vermutlich nicht umbringen. Natürlich
würde Schwinge entsetzt sein, und Morren wäre vermutlich
auch nicht begeistert, aber sie mußten es schließlich
nicht wissen. Inzwischen waren die anderen sowieso außer
Sicht, und Felder und er waren völlig unter sich.
»Ich glaube, du hast recht«, sagte er
schließlich. »Ich probiere es.«
Felder starrte ihn entgeistert an. »Das war ein Witz! Morren
bringt mich um, wenn er erfährt, daß ich dir Schnaps
gebe. Er wirft mich achtkantig raus. Und ich habe keine Ahnung, wie
es auf Elfen wirkt. Andererseits bist du alt genug, um selbst auf
dich aufzupassen, denke ich. Ich weiß nicht, wie alt du bist,
aber ich war sicher jünger, als ich damit angefangen habe.
Also bitte. Tu dir keinen Zwang an. Aber tu mir einen Gefallen -
trink nicht zuviel. Zum einen würde dir vermutlich ganz
furchtbar schlecht werden, und zum anderen weiß ich nicht, wo
ich hier frischen bekommen kann, wenn er alle ist. Zum
Wohlsein.«
Er hielt ihm die Flasche hin. Keil nahm sie vorsichtig, wobei er
noch einmal darauf achtete, ob Morren auch wirklich nicht zu sehen
war, dann versuchte er vorsichtig, sie aufzumachen. Der Korken
saß fest, aber Keil traute sich nicht, zu stark daran zu
ziehen, aus Angst, alles zu verschütten. Felder sah seinen
Bemühungen zu, dann nahm er ihm lächelnd die Flasche
wieder ab und öffnete sie. Überhaupt schien er im Moment
Keil ziemlich genau zu beobachten.
Keil hob die Flasche an die Nase und schnupperte. Der Gestank
drehte ihm fast den Magen um. Aber es gab nur einen Weg, seine
Neugier zu befriedigen, selbst wenn es bedeutete, daß ihm
übel wurde und er Ärger bekam. Er kniff die Augen
zusammen, setzte die Flasche an den Mund und kippte sie vorsichtig
an. Seine Zähne und Lippen hielt er fest zusammengekniffen,
und er spürte, wie seine Hand zitterte. Etwas in ihm krampfte
sich zusammen. Noch bevor der erste Tropfen seine Lippen auch nur
benetzen konnte, ließ Keil die Flasche wieder sinken.
»Brauchst du Hilfe?« fragte Felder, der irgendwie
enttäuscht schien, als Keil ihm seine Flasche
zurückgab.
»Ich kann das nicht«, sagte Keil entschuldigend.
»Ich bringe es nicht über mich. Vermutlich könnte
ich es nicht einmal trinken, wenn ich am Verdursten
wäre.«
»Stell dich nicht so an«, sagte Felder. »Du
wolltest es probieren. Und es geht ganz einfach. Du setzt die
Öffnung der Flasche an den Mund, und dann trinkst du einfach.
So:« Er demonstrierte es noch einmal.
Aber Keil schauderte. »Vergiß, daß ich es jemals
versucht habe. Ich kann das nicht trinken. Es ist genauso, als
würde ich versuchen, dein Schwert zu berühren.«
»Warum hast du Angst, mein Schwert anzufassen? Ist es dir zu
scharf?«
»Es ist aus Eisen«, erklärte Keil.
»Eins muß man euch lassen«, sagte Felder.
»Ihr habt originelle Probleme.«
Am nächsten Morgen, kurz,
nachdem sie aufgebrochen waren, blieb Morren plötzlich
stehen.
»Felder, mein Freund, ich glaube, es ist an der Zeit,
daß ich dir einmal etwas zeige. Ich brauche aber dazu deine
Erlaubnis, denn ich habe einen Zauber mit dir vor, dessen Ergebnis
dich vielleicht erschrecken könnte.«
»Wenn du versprichst, es wieder rückgängig zu
machen … von mir aus. Ich bin noch nie zuvor verzaubert
worden. Aber mittlerweile wundert mich gar nichts mehr. Nur zu.
Fang an.« Felder grinste Morren an. »Aber laß
mich leben.«
»Das ist es, was ich vorhabe«, sagte der Zauberer.
»Ich bitte außerdem dich, Lonnìl, einen Moment
lang wegzuschauen. Der Anblick ist mehr als ich deinen Augen
zumuten möchte.«
»Augenblick mal!« rief Felder. »Ich bin mir
nicht mehr sicher, ob ich das tatsächlich will!«
Aber es war bereits zu spät. Morren machte eine Handbewegung
in seine Richtung. Nun wirkte der Zauber. Keil spürte ein
gewisses Entsetzen, als er sah, wie der Mensch sich verwandelte.
Derartiges hatte er noch nie gesehen, und er war nicht sicher, ob
er es jemals wieder sehen wollte.
Felder blieb Felder, soviel war klar. Und doch veränderte er
sich stark. Sein Gesicht wurde größer, verlor aber dabei
an Kontur, es wurde uneben und schwammig. Dunkle Ringe und
Hautfalten bildeten sich um die eben noch munteren Augen, die nun
trüber und kleiner wurden. Keil hatte das Gefühl,
daß der Mensch vor seinen Augen verfiel.
Felder merkte wohl nicht direkt, was mit ihm geschah, aber er las
aus den Blicken der Alifwin, daß es etwas Furchtbares sein
mußte. »Was tust du da mit mir?« fragte er, und
zum ersten Mal schwang Panik in seiner Stimme mit. »Was immer
es ist - hör auf damit! Hör sofort damit auf!«
Morren machte eine weitere kleine Handbewegung. Es hatte nur
wenige Augenblicke gedauert. Jetzt war Felders Gesicht rot und
aufgedunsen, und die Narbe an seinem Auge leuchtete weiß und
grotesk. Furchen zogen sich um den Mund, der noch immer vor
Schrecken verzerrt war. Niemand wäre mehr auf die Idee
gekommen, dieses Gesicht irgendwie als anziehend zu bezeichnen.
Keil bemerkte den Abscheu, der in Schwinges Blick lag.
»So also sehen Menschen aus, wenn sie ihr wahres Gesicht
zeigen«, flüsterte die Jägerin.
»Jetzt sieh her, Felder!« Morren nahm seine Kugel aus
der Tasche und hielt sie dem Menschen hin, damit er sein
Spiegelbild darin sah. Die Rundung der Kugel verzerrte die
Züge noch weiter. »Das bist du, Felder. Ich habe dich
altern lassen, um zehn, vielleicht zwanzig Jahre. So wirst du
aussehen, wenn du so weitermachst wie bisher - falls du dann
überhaupt noch lebst.«
Felder lachte, aber es klang etwas unsicher. »So also sieht
es aus, wenn du in deiner Kugel Bilder entstehen läßt.
Sehr interessant. Ich dachte, sie wären für uns
unsichtbar.«
»Das ist keine Illusion, mein Freund«, sagte der
Zauberer. »Es ist dein Spiegelbild.«
Felder starrte in die Kugel, als könne er seinem eigenen
Anblick nicht trauen. Er sagte nichts, aber seine Schultern bebten,
und er fuhr sich mit der Hand durch die Haare.
»Nein!« schrie Lonnìl. Seine Neugier hatte
gesiegt, aber er schien seinen Blick sofort zu bereuen. »Das
kannst du nicht mit ihm tun, Zauberer! Verwandele ihn
zurück!«
Morren hielt Felder mit einer Hand an der Schulter fest, als der
versuchte, einen Schritt rückwärts zu machen, und zwang
ihn unerbittlich, sein eigenes Bild zu sehen. »Du mußt
der Wahrheit ins Auge blicken«, sagte er ruhig. »Es ist
hart, aber es ist die einzige Möglichkeit, um dich
begreifen zu lassen, daß du dich zugrunde zu
richtest.«
Felder fuhr sich tastend mit der Hand über das Gesicht,
befühlte die Veränderungen.
»Glaubst du vielleicht, das wüßte ich
nicht?« fragte er dann. »Ich bin nicht dumm. Aber
solange es mir gefällt, werde ich genau so leben. Viel Zeit
bleibt mir ohnehin nicht. Aber ihr habt weder das Recht, noch einen
Grund, euch da einzumischen. Ich lebe so, wie es mir paßt,
und ich schade keinem außer mir selbst.« Langsam schien
er schien altes Selbstvertrauen wiederzugewinnen, denn er schaute
noch einmal in die Kugel und lachte. »Im Übrigen hast du
maßlos übertrieben. Du hast mir das Aussehen eines alten
Säufers gegeben. Und ich bin beileibe kein Säufer. Du
wirst nur selten erleben, daß ich mich wirklich betrinke.
Wenn du mich also schon verwandeln mußt - mach es
richtig!«
»Ich habe dein jetziges Aussehen nicht gewählt«,
sagte Morren. »Dein Körper hat nur die Entwicklung
durchlaufen, die im Moment am wahrscheinlichsten ist.«
Felder schien ihm noch immer nicht zu glauben, denn er
beäugte nun abwechselnd sich und den Zauberer. »Mag
sein, daß du recht hast«, sagte er schließlich.
»Wir werden sehen. Und wenn schon. Ich wäre nur dankbar,
wenn du mir jetzt mein altes Aussehen zurückgeben
würdest. Ich will es genießen, solange ich es noch habe.
So wie jetzt kann ich von mir aus aussehen, wenn ich König
bin.«
Morren zuckte die Schultern, ließ ihn los und steckte seine
Kugel wieder ein. Ein Wink, und Felder sah wieder so aus wie
vorher.
»Mach das nie wieder«, ächzte er »Ihr
gestattet?« Mit einem sarkastischen Grinsen in Morrens
Richtung löste Felder die Flasche von seinem Gürtel und
nahm einen langen Schluck. »Wenn ihr vorhabt,
tatsächlich einen Säufer aus mir zu machen, dann macht
nur so weiter. Ihr laßt mir quasi keine andere
Wahl.«
Lonnìl sah den Zauberer mit einer Mischung aus Angst, Wut
und Entsetzen an.
»Da hast du eine mächtige Waffe in der Hand«,
sagte er leise. »Du könntest das im Kampf gegen deine
Feinde einsetzen. Etwas Grausameres kann man niemandem antun. Aber
es wäre ein falsches Spiel. Es ist unmenschlich.«
»Du vergißt, daß ich kein Mensch bin«,
sagte Morren. »Aber ich verstehe, was du meinst.«
Weder Morren noch Felder gingen danach noch einmal auf dieses
Erlebnis ein. Aber Keil konnte nie wieder Felders Gesicht ansehen,
ohne darin deutlich die Zeichen des Verfalls zu
erkennen.
Auch noch einer Woche konnte
Lonnìl immer noch nicht sagen, ob er Felder nun mochte oder
nicht. Was immer man ihm vorwerfen konnte, er ließ sich
jedenfalls nicht hängen. Jeden Morgen trainierte er, als
würde er gegen einen unsichtbaren Feind antreten. Es sah
albern aus, und Felder schien es auch zu stören, daß er
keinen Gegner hatte, mit dem er sich messen konnte.
»Zieh dein Hemd aus«, sagte er eines morgens.
»Und jetzt greife mich an.«
»Warum sollte ich?« fragte Lonnìl.
»Du sollst lernen, mit einem Schwert umzugehen.«
»Ich kämpfe nicht mit Schwertern«, sagte
Lonnìl. »Ein Schwert ist die -«
»- Waffe der Tyrannen, ich weiß. Du kannst also davon
ausgehen, daß die meisten Tyrannen Schwerter tragen, und
daß sie nicht wild darauf sind, sich von dir totschlagen zu
lassen. Beim letzten Mal hattest du vielleicht die
Überraschung auf deiner Seite, aber du mußt damit
rechnen, daß sich deine Opfer zur Wehr setzen. Sie werden
versuchen, dich in handliche kleine Stücke zu zerlegen.
Deswegen solltest du wissen, wie man mit Schwertern umgeht. Mit
Schwertern in den Händen von anderen Leuten. Und jetzt greife
mich an!«
Ehe Lonnìl recht wußte, wie ihm geschah, stand er
ohne Hemd auf einer Lichtung und kämpfte gegen Felder. Und
schwitzte. Felder ging hart zur Sache. Zumindest schien das
Lonnìl so.
»Achte auf deine Deckung! Denk daran - ich will dich
töten! Das hätte ich schon fünfmal tun können.
Und du solltest deinen Stock irgendwie mit Eisen beschlagen, wenn
du damit Erfolg haben willst. So wird das nie etwas. Du mußt
versuchen, Abstand zu gewinnen. Der Stab ist viel länger als
mein Schwert. Nutz das doch aus!«
Jetzt erst bemerkte Lonnìl, daß Felder im Laufe schon
etliches hatte einstecken müssen. Die Narbe an seinem Auge war
nur die Auffälligste. Der Oberkörper und vor allem die
Arme des Prinzen waren mit den Spuren von vielen kleineren und
größeren Schnittwunden übersät.
»Trägst du niemals eine Rüstung?« fragte
Lonnìl, als sie endlich eine Pause machen. Felder lachte
verächtlich auf.
»Was soll ich damit? Hast du schon einmal versucht, dich in
einem Kettenhemd zu bewegen? Diese Rüstungen mögen
vielleicht ganz modern sein, aber glaub mir, sie werden sich nicht
durchsetzen. Ich habe noch bei einem Schwertmeister der alten
Schule gelernt. Er sagte, je weniger du anhast, desto mehr bist du
gezwungen, auf deine Deckung zu achten. Das einzige, was ich
wirklich brauche, sind Stiefel. Damit verlierst du zwar leider das
direkte Gefühl für die Beschaffenheit des Bodens, aber
ich muß einen festen Stand haben. Wenn du umknickst, bist du
tot. Manchmal hat er mich nur in meinen Stiefeln kämpfen
lassen. Manchmal auch ohne alles.«
»Ohne Hosen?« fragte Lonnìl entsetzt.
»Sicher. Natürlich nur, wenn sonst niemand dabei war.
Aber du kannst mir glauben - ich habe auf meine Deckung
geachtet. Es wäre einen Versuch wert … wenn ich nicht
genau wüßte, daß es dann Ärger mit den Elfen
gäbe. Obwohl -«
»Nein!« sagte Lonnìl nachdrücklich. Aber
trotz seiner Erschöpfung war er Felder dankbar. Der Prinz war
kein schlechter Lehrer, und er hatte erstaunlich viel Geduld
aufgebracht. Zumindest diesmal. Ob es auf die Dauer so bleiben
würde, wußte Lonnìl nicht, aber fürs erste
gewöhnte er sich an die morgendliche Trainingsstunde.
Es war jedoch nicht immer klar, ob Felder ihn nun lobte oder
verspottete. Meistens schien er beides gleichzeitig zu tun, und
Lonnìl wußte nicht, wie er reagieren sollte.
»Du hast wirklich Talent«, sagte der Thorianer zum
Beispiel. »Mein Schwertmeister Tarnil hätte seine helle
Freude an dir gehabt. Er sagte auch immer, daß man das Denken
sein lassen soll, wenn man kämpft. Das beherrschst du schon
perfekt. Was du noch lernen mußt, ist, wieder mit dem Denken
anzufangen, wenn der Kampf vorbei ist.«
Dann wieder konnte er direkt beleidigend sein. »Sag mir -
was ist das für ein Gefühl, in eine Frau verliebt zu
sein, und sie will nichts von dir wissen? Ich würde wirklich
gerne mit dir mitfühlen, aber mir fehlt die
Erfahrung.«
»Warst du noch nie verliebt?« fragte Lonnìl
zurück.
»Doch, schon oft - aber noch nie
unglücklich.«
Lonnìl sagte er lieber nichts mehr, sondern versuchte sich
damit zu trösten, daß die große, wahre Liebe
Felder offensichtlich fremd war. Er mochte vielleicht ein Prinz
sein und ein brillanter Schwertkämpfer, dem die Frauen zu
Füßen lagen, aber von wahrer Liebe hatte er keine
Ahnung.
Wenn man Keil sah, konnte man
glauben, er sei ausgeschickt worden, um die Menschen zu erforschen,
und der Zauberer unterstützte ihn darin nur.
Dennoch konnte Schwinge Keils Interesse in mancher Hinsicht
verstehen. Die Menschen waren so absonderlich! Manchmal bereitete
es ihr fast Freude, den Prinzen zu beobachten. Er verursachte in
ihr nicht dieses Gefühl des Unwohlseins, wie Lonnìl es
tat, der sie immer anstarrte. Wenn das die Liebe war, von der
Lonnìl immer sprach, dann war sie froh, nichts in der Art zu
empfinden. Felder dagegen schien ihre Anwesenheit gleichgültig
zu sein. Wie genau er aber Morren beobachtete, zeigte sich an einem
Tag, als er den Zauberer an einem Tag sehr treffend nachmachte.
Der Zauberer hatte gerade in seine Kugel geblickt, als Felder
plötzlich laut auflachte.
»Jetzt weiß ich es!« rief er vergnügt.
»Mir ist gerade aufgegangen, warum du immerfort in diese
trübe Kristallkugel starrst.« Er warf seinen
schäbigen Umhang nach hinten mit einer Geste, die er von
Morren abgeschaut hatte, strich sich eine Haarsträhne aus dem
Gesicht und blickte dann angestrengt und leicht schielend in seine
gewölbte Handfläche. »Ich kann es gar nicht
glauben«, sagte er mit einer Stimme, die zwar in ihrer
Intensität nicht an die von Morren heranreichte, aber seinen
selbstgefälligen Tonfall schon recht gut traf. »Was bin
ich doch für ein gutaussehendes Kerlchen! Ich sehe aber auch
wirklich zum Anbeißen gut aus! Nein, was bin ich
schön!«
Wer über diese Darbietung am meisten lachte, war Morren, aber
Schwinge hatte das Gefühl, daß dieses Lachen nicht ganz
echt war. Felder sollte sich besser in Acht nehmen, bevor er den
Zorn des Zauberers erregte. Aber sie mußten sich auch vor
diesem Menschen hüten. Er war nicht so harmlos wie
Lonnìl, nicht nur, weil er sein Schwert aufdringlich
geschickt führte. Hinter Felders lächerlichen Maske
steckte ein Geist, der ebenso unberechenbar wie klug war und ihnen
allen gefährlich werden konnte.
Schwinge trat zu dem Barden hin, um ihn zur Vernunft zu bringen.
Schließlich durfte sie nicht vergessen, wie jung er war.
»Keil … bist du schon auf die Idee gekommen,
daß dieser Mensch - ich meine den Prinzen - absichtlich
unsere Nähe sucht, um uns an Erfüllung unserer Aufgabe zu
hindern?«
»Wie kommst du darauf?« fragte Keil verwundert.
»Er ist ein Mensch, Keil. Und selbst wenn er uns
nicht umbringen will, so kann es doch nicht in seinem Interesse
sein, daß wir die Instrumente finden. Betont er nicht immer
wieder, daß er keine Alifwin mag? Warum, glaubst du,
begleitet er uns dann, wenn nicht, um uns Schaden
zuzufügen?«
Darauf konnte der Barde nicht antworten, und Schwinge bemerkte,
daß er dem Menschen danach immer wieder zweifelnde Blicke
zuwarf. Aber trotzdem spürte sie, daß es ihr nur
gelangen war, ihn zu verunsichern, nicht, ihn zu überzeugen.
Und solange der Zauberer dabei war, konnte sie nicht direkt gegen
Felder vorgehen.
Abends, wenn sie um das Feuer herumsaßen, redete er
über die Zeit. In manchem, was er sagte, hätte Schwinge
ihm gerne widersprochen, aber es war unter ihrer Würde, sich
mit Menschen zu streiten.
»Eigentlich gibt es gar keine Zeit«, sagte er, von
Morren belächelt, »sondern nur das, was wir daraus
machen. Einige von uns leben schneller, andere langsamer. Jeder hat
genau ein Leben davon, und wenn es vorbei ist, dann ist es vorbei.
Also leben wir alle gleich lange, egal, wie wir es tun.«
»Haben dir das deine Lehrer beigebracht?« fragte
Lonnìl verärgert. Es mußte also am Prinzen selbst
liegen, wenn nicht einmal seine andere Menschen ihn verstehen
konnten.
»Ich wünschte, sie hätten es«, sagte Felder
leise. Wenn er über die Zeit sprach, wirkte er wie
ausgetauscht. »Es hat mich einige schlaflose Nächte
gekostet, bis ich es mir zusammengereimt hatte. Darum erzähle
ich es euch ja auch. Ich möchte nicht, daß ihr die
selben Probleme bekommt wie ich.«
»Wir werden ganz sicher nicht deine Probleme
bekommen«, sagte Morren. »Immerhin bist du der einzige
Trinker unter uns.«
Wenn Felders Absicht darin bestand, seine Mitreisenden zu
verwirren, war ihm zumindest das voll und ganz gelungen
Aber er hielt sie nicht davon ab,
Dolua’d’llán zu erreichen.
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